Haushaltsrede 2016

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, 
 
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, 
 
werte Kolleginnen und Kollegen
Eckdaten des Haushaltsentwurfes   
 
Jedes Jahr geben die Fraktionen ihre Stellungnahmen zum Haushaltsplan der Gemeinde ab. Dabei achten die Gemeinderäte darauf, dass sich ihre Schwerpunkte, die politischen und auch die ganz persönlichen, in den Haushaltsreden wiederfinden.   
 
Aber egal, wie weit politische oder persönliche Sichtweisen von einander entfernt liegen und die Diskussionen darüber im Gemeinderat bestimmen, haben diese zum Haushalt 2016 doch gezeigt, dass dieses Jahr noch etwas ganz anderes die Beratungen im Gremium bestimmt hatte. Zwei Themen, die eine große Brisanz und gesellschaftliche Verantwortung in sich bergen. Die Lösung der Flüchtlingsunterbringung und die erhebliche Neuverschuldung der Gemeinde. Beide Themen sind differenziert zu betrachten, sie sind aber im Endeffekt doch ganz eng miteinander verknüpft.   
 
Wir sind uns bewusst, dass alleine schon "Verschuldung" und "Flüchtlingsunterbringung" in einem Satz genannt,  bei Teilen unserer Bevölkerung auf Kritik stoßen wird. Aber trotzdem müssen wir diese Probleme im Zusammenhang sehen und angepasste Lösungen  finden.  
 
Der nicht unumstrittene Grünen-Politiker Cem Özdemir hat zum Flüchtlingsproblem und dessen Auswirkungen, in einem Interview der Illustrierten Stern deutlich gemacht, um was es geht.  
 
Auf die Frage „Sind alle die sich Sorgen machen Pegida-Anhänger?“ antwortete er „Nein, und nicht alle die sich Sorgen machen sind rassistisch“. 
 
(Quelle Stern Nr. 4 vom 21.01.2016)  
 
Respekt für diese Aussage, die alle Gedanken zulässt – auch die, mit denen Transparenz hergestellt werden kann, wie die Situation tatsächlich ist. Weg vom Schönreden.  
 
Wir müssen den Bürgern erklären, welche Entscheidungen wir auf welcher Basis getroffen haben. Und wir von der CDU-Fraktion sagen auch klipp und klar, dass wir uns, wegen der Neuverschuldung im Zusammenhang mit der Finanzierung der Unterkünfte für die Flüchtlinge und der zu erwartenden Folgekosten Sorgen machen.  
 
Die Schlagworte der großen Politik der letzten Jahre sind: "lückenlose Aufklärung" und  "größtmögliche Transparenz".   
 
Auch wenn es daran in der großen Politik meiner Ansicht nach immer noch mangelt, hält unsere Fraktion eine  Haushaltsrede  dafür geeignet, die Bürger zu informieren oder, um im gewählten Terminus zu bleiben, aufzuklären und Transparenz herzustellen. In der Kürze der Zeit können wir heute allerdings nicht alle Themen ansprechen, wir bieten dafür aber gerne unsere Bürgergespräche an.  
 
Bereits der letzte Haushaltsplan der Gemeinde, aber besonders der uns vorliegende, beunruhigt unsere Fraktion. Wir haben kein gutes Gefühl. Und dies, obwohl uns alle Ausgaben als zwingend oder zumindest als erforderlich begründet worden sind. Sicherlich gibt es für jede einzelne  Haushaltsposition einen guten Grund, dieses Jahr und nicht erst in einem der Folgenden zu investieren.  
 
Aus diesem Verständnis heraus, sind wir mehrmals alle Positionen durchgegangen und haben mögliche Ansätze für Streichungen sehr kritisch geprüft.  
 
Die von der Verwaltung gesetzten Schwerpunkte müssen nicht immer deckungsgleich mit der Sichtweise der Gemeinderäte sein. Uns  Gemeinderäte sollte die wichtige Frage beschäftigen - und da sehen wir noch kein geschlossenes Bild innerhalb des Gemeinderates:  Sind denn unsere vielen Projekte auf Dauer noch finanziell und personell leistbar? Ist denn der Plan der Verwaltung - und um nichts anderes handelt es sich zunächst bei einer Haushaltsaufstellung – so überhaupt realisierbar? Können wir uns die  geplanten Investitionen und die in der Vergangenheit als Freiwilligkeitsleistung oder Förderung geschaffenen Ausgaben, in dem Maße überhaupt noch leisten? Denn wir haben nur in wenigen Bereichen echte Ansatzpunkte einen besseren Kostendeckungsgrad zu erreichen. Weingarten ist nach wie vor noch ein attraktiver Wohnort, aber dies hat eben für  alle Beteiligten auch seinen Preis. Unser Haushalt weist eben einen, wie Sie, Herr Bürgermeister, selbst zu Beginn Ihrer Tätigkeit mehrmals sagten, „strukturell ertragsschwachen Verwaltungshaushalt" auf.   
 
Das Landratsamt hat Ihnen, Herr Bürgermeister, in Vorgesprächen die Zustimmung zum Haushalts-Entwurf bereits signalisiert. Aber es darf doch die berechtigte Frage gestellt werden, wäre das auch in anderen Zeiten so möglich gewesen? Lassen Sie es  mich an einem Beispiel verdeutlichen. Hätte die Gemeinde vor einigen Jahren ein derartiges Kreditvolumen für dringend zu schaffenden Wohnraum aufgenommen, wäre das genehmigt worden?   
 
Wir sagen:  N E I N !  
 
Herr Bürgermeister, wir haben im Laufe der Haushaltsdiskussionen immer wieder kritisch hinterfragt: Können oder müssen wir alle neuen Maßnahmen  j e t z t  angehen?   
 
In der einen oder anderen Sache ist es uns gelungen Investitionen zu verschieben, das heißt aber nicht, dass sie aufgehoben sind. Auch wenn der Haushalt sich jetzt "besser liest“, muss uns klar sein, dass eine in dieser Art erbrachte Haushaltsentlastung, die Belastung von morgen darstellt.  
 
Ich möchte diese Überlegungen nachfolgend an wenigen Schlagworten  erläutern.  
 
In den letzten Jahren und das hoffen wir auch für das Planjahr, hatten wir durch eine gut florierende Wirtschaft überdurchschnittlich gute Jahre.  
 
Doch unsere Steuerkraft reicht trotzdem bei weitem nicht aus, alle unsere Ausgaben zu decken. Die Leistungskraft des Verwaltungshaushalts ist sinkend und wir liegen auch deutlich unter Landesdurchschnitt. Daraus ergibt sich eine zu geringe Zuführungsrate in den Vermögenshaushalt. Das ist unser strukturelles Problem. Wir haben zu hohe  Kosten und zu wenig Ertrag. Ist das der Preis für eine lebenswerte Gemeindestruktur?  
 
Durch die politischen Vorgaben von Bund und Land, z.B. bei der Kleinkind- und Kinderbetreuung,  der Schulreform und aktuell durch die Vorgaben für die Flüchtlingspolitik, wirkt sich die Abhängigkeit von dritter Seite, wie auch schon in den vergangenen Jahren, besonders aus. Dann wird auch noch die Kreisumlage erhöht. Alles Geld das der Gemeinde fehlt. 
 
Nach wie vor hat unsere Fraktion mit einem weiteren Stellenzuwachs innerhalb der Gemeindeverwaltung ihre liebe Mühe. Auch wenn uns dies immer wieder mit dem Aufgabenzuwachs begründet wird, stellen wir die Frage, „Können wir nicht auch erwarten, dass vorher organisatorische Veränderungen vorgenommen werden?“ Denn eines ist sicher: „Aufgaben vergehen – Personal bleibt bestehen“ und damit die Fixkosten. 
 
Einzelthemen  
 
Wir begrüßen die Anstrengungen zum Breitbandausbau. Der Breitbandausbau ist eine Investition in die Zukunft, die Attraktivität und die Konkurrenzfähigkeit Weingartens.    
 
Die Investition unserer Gemeinde ist durchaus vergleichbar mit der Investition für die Telekommunikation. Wo wären wir heute z. B. ohne Telefon?  
 
Das Thema Ärztehaus scheint vor dem Hintergrund anderer wichtigen Themen in den Hintergrund geschoben worden zu sein. Wir sehen die Gefahr, dass andere Gemeinden in der direkten Nachbarschaft schlicht und ergreifend bei einer wichtigen Zukunftsfrage wieder einmal die Nase vorne haben werden. Herr Bürgermeister, es liegt an Ihnen dieses begonnene und für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung Weingartens wichtige Projekt voranzutreiben.  
 
Weingarten bietet eine sehr gute Infrastruktur. Das schlägt sich auch positiv im Zuzug von Familien nieder, gleichzeitig ergibt sich daraus aber auch die Verantwortung in Bezug auf die Bereitstellung geeigneter Kinderbetreuungsmodule in Form von Kleinkind-, Kinder- und Schulkindbetreuung. Diese Themen haben uns deshalb die letzten Jahre hinsichtlich der Schaffung von Plätzen, insbesondere der Ganztagsbetreuung und deren Finanzierung, sehr beansprucht.  
 
Der Zuzug weiterer Familien dürfte die Diskussion wieder aufleben lassen. Die Thematik wird dann interessant, wenn die Zahl der von uns mit zu versorgenden und zu integrierenden Flüchtlingskinder bekannt ist. Ob es einen Platzmangel gibt und wie dieser zu beheben oder zu überbrücken ist, bleibt dann zu diskutieren. Fakt ist, dass der Arbeitsmarkt für Erzieherinnen so gut wie leergefegt ist und Weingarten nicht die einzige Gemeinde mit diesem Problem im Landkreis ist. Unsere Fraktion hofft, dass sich unsere Verwaltung dazu schon entsprechende Gedanken gemacht hat und wir ausreichend Zeit haben im Gemeinderat nicht wieder unter Zeitdruck entscheiden müssen.   
 
Unsere Fraktion hat sich letztes Jahr ausführlich mit dem Thema Gemeinschaftsschule beschäftigt und auch vor Ort mit der Schulleitung gesprochen. Wir möchten deshalb heute nochmals betonen, dass wir zu unserer Schule in Weingarten stehen. Wir konnten aber auch beobachten, wie die Verantwortlichen von Schulen, als auch die kommunalen Entscheidungsträger, in das "kalte Wasser" Gemeinschaftsschule geworfen worden sind.  Es ist klar festzustellen, dass für alle Beteiligten zu keinem Zeitpunkt eine Kostentransparenz gegeben war und diese Kosten, insbesondere in die Infrastruktur, haben viele Gemeinden eingeholt. Auch uns und das sahen und sehen wir nach wie vor kritisch. 
 
Beim Thema Straßenverkehr ist uns wichtig, dass der Gemeinderat bei seiner Entscheidung zur Lkw-tauglichen Unterführung am Bahnübergang Häcker festhält. Daher wünschen wir uns endlich eine Forcierung und Umsetzung des Projektes und ggf. auch direkte Gespräche mit der Deutschen Bahn.   
 
Wichtige Themen sind für uns weiterhin die Sanierung der Burgstraße, des Kirchplatzes und der zukunftsorientierte Ausbau der Jöhlinger Straße.  
 
Um die vom Regierungspräsidium (RP) beabsichtigte Fahrbahnsanierung der Jöhlinger Straße zu schieben, wurden Sie, Herr Bürgermeister, auf unseren Vorschlag hin beim RP vorstellig. Glücklicherweise hatten die dortigen Verantwortlichen die Einsicht, die Erneuerung der Fahrbahndecke im Ortsgebiet zu verschieben und somit der Gemeinde etwas Luft für eine detaillierte Planung und sichere Finanzierung  zu verschaffen.  
 
Mit unserem Antrag, eine leerstehende Ladenzeile am Rathausplatz als Räume für das Familienzentrum "Allerdings", dem Verein „Bürger helfen Bürger“ und die Ortssenioren zu nutzen, haben wir den Anstoß gegeben für den Umzug der Schulbücherei. Auf Basis unserer Vorstellung zur Belebung des Rathausplatzes  durch "öffentliches Leben", werden Schulbücherei und Rathausplatz noch mehr ins Bewußtsein der Bevölkerung gerückt  und damit ein stückweit lebendiger und  attraktiver.  
 
Dieses Jahr möchten wir auf ein Thema besonders eingehen, dass wir immer mal wieder angerissen hatten. Es geht um den Flächenverbrauch auf unserer Gemarkung.   
 
Bevor unberührtes Land auf der Gemarkung für Gewerbe herangezogen wird, sollten  ehemalige Gewerbeflächen genutzt werden. Das kann funktionieren, wie uns die Gewerbebrache "altes Schwaabgelände" aktuell zeigt. Allerdings haben wir das Gefühl, dass im Bereich Gewerbegebiete noch immer der bequemere Weg gegangen wird. Also Neuanlage von Gewerbeflächen und Neubau von Gewerbeeinheiten an Stelle von Sanierungen.   
 
Außerdem fällt zwischenzeitlich erheblich die andauernde Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Feldern für Ausgleichsmaßnahmen ins Gewicht. Hier sollte die Gemeinde unbedingt nach intelligenten Alternativen suchen und sorgfältig prüfen, was wirklich erforderlich ist. Für uns erschließt sich z. B. nicht die Notwendigkeit der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für den zu errichtenden Lärmschutzwall in der Waldbrücke. Auf dem Wall entsteht zwangsläufig wieder eine Pflanzfläche. Nachweislich schafft die Gemeinde mehr begrünte Oberfläche als zuvor vorhanden war. In unseren Augen pure Bürokratie zu Lasten der Gemeinde und der Landwirtschaft.   
 
Bereits letztes Jahr haben wir in unserer Haushaltsrede betont, dass wir beim Thema Flüchtlingsunterbringung die Probleme vor Ort werden lösen müssen. 
 
Oberste Prämisse für die CDU-Fraktion waren und sind dezentralisierte und damit verträgliche, in die gewachsenen Strukturen zur Einbindung mögliche Standorte für Unterkünfte. Für uns war es wichtig  die  Flüchtlingsunterbringung in Weingarten flächendeckend zu gestalten  und in den Gemeinschaftsunterkünften nach Möglichkeit maximal 60 Personen unterzubringen.  
 
Schon zu Beginn der ersten Informationen und im Raum stehenden Suche nach Standorten,  war für uns wichtig, viele kleine Standorte zu bevorzugen und uns entgegen der Strömung im Gemeinderat mehr Optionen offen zu halten. Darum haben wir auch die Standortsituation weiterhin analysiert und vorangetrieben, siehe SICA Gelände.  
 
Beim Anliegen unseres Bürgermeisters, die Unterkünfte selbst zu bauen, sah unsere Fraktion auch den Vorteil die zukünftige Nutzung selbst zu bestimmen. Die Gemeinde und nicht der Landkreis soll über die weitere Nutzung der Wohnungen entscheiden können.   
 
Herr Bürgermeister, bereits bevor bekannt wurde, wie hoch sich die Kosten für den Neubau der Asylbewerberheime belaufen werden, war die Stimmung im Gemeinderat unserer Ansicht nach gedrückt. Neben der hohen Investition in den Hochbehälter, der sich  über den Wasserpreis zwar selbst tragen wird, aber dennoch über eine Kreditaufnahme zu finanzieren ist, stehen ja auch die hohen Investitionskosten in den Breitband- und Nahwärmeausbau an. Einerseits wollen wir Weingarten zukunftsfähig machen und auch Nutznießer von Fördergeldern sein, andererseits drückt uns die hohe Belastung. Ein privater Haushalt würde wohl anders handeln. Investitionen in die eigene Immobilie nur auf Sicht und nach Leistungsfähigkeit. Ein Privathaushalt würde, auch bei einem noch so verlockenden Angebot auf Fördergelder, kein Risiko einer Überschuldung eingehen. Wir sehen deshalb weiteren hohen, und nicht zwingend erforderlichen Investitionen sehr skeptisch gegenüber. Und wir haben in der Fraktion zum ersten Mal die Diskussion geführt, ob wir diesem Haushalt noch guten Gewissens zustimmen können.   
 
Auch die Wirtschaftspläne Wasser und Bauhof sind von hohen Kreditaufnahmen geprägt. Wir müssen im laufenden Haushaltsjahr prüfen, was wir davon wirklich umsetzen können und müssen.   
 
Am Ende unsere Stellungnahme zum Haushalt 2016, wollen wir uns an erster Stelle bei Ihnen, Herr Bürgermeister, aber natürlich auch bei den Herren Bittner und Schlenker für die Arbeit bei der Erstellung der Unterlagen zu den Haushaltsberatungen sowie bei allen Mitarbeitern der Gemeinde, die sich den stetig wachsenden Ansprüchen stellen, bedanken.  
 
Wir möchten uns jedoch zum Schluss auch einige kritische Bemerkungen zu der von Ihnen, Herr Bürgermeister, gewählten Form unserer Zusammenarbeit erlauben. 
 
Wir halten Ihnen zu Gute, dass Sie die Aufgaben des Bürgermeisters mit viel Ehrgeiz und Zielstrebigkeit ausführen und dass Sie unsere Gemeinde auf eine gute Zukunft ausrichten wollen. Auf diesem Weg sprechen Sie wohl immer davon „alle mitnehmen zu wollen“ setzen dies aber unserer Ansicht nach nicht immer konsequent um.  
 
Denn wir fühlen uns von Ihnen oft eher vor Tatsachen gestellt und somit bei einigen Entscheidungen als Gemeindräte auch nicht mitgenommen. „Mitnehmen“, sprich ins Boot nehmen, aber muss man Mitfahrer allerdings solange das Boot noch am Ufer liegt und nicht, wenn es schon Fahrt aufgenommen hat und am Auslaufen ist. Wir wünschen uns, dass das Fahrtziel von uns gemeinsam festgelegt wird und der Weg dorthin, die Fahrroute, im Team abgestimmt ist.  
 
Dies ist unsere Ansicht von einem besseren  Miteinander zwischen Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat. 
 
Die CDU-Gemeinderatsfraktion stimmt der Haushaltssatzung und dem Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016 sowie den Wirtschaftsplänen für das Wirtschaftsjahr 2016 der Eigenbetriebe  Bauhof, Abwasser und Wasser zu.  
 
10.03.2016 / Gerald Lopp - haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Gemeinderat Weingarten